Liebe Leserinnen und Leser,
im Geschäftsjahr 2024 sahen wir uns aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund ist unser erzieltes Ergebnis eine starke Leistung.
Die politisch gewollte Fokusverschiebung vom Fördern zum Fordern, von der Qualifizierung hin zur schnellen Integration waren Impulse, die wir erfolgreich umsetzen konnten.
Veränderungen begegnen wir lösungsorientiert. Das ist unsere Stärke. Das zeichnet uns aus. Denn wir wissen, die Erwartungen der Politik, der Wirtschaft sowie der Bürgerinnen und Bürger an uns und unsere Arbeit sind stetig im Wandel.
Unsere Ausrichtung unterliegt der Veränderung, doch unsere Kernaufgabe bleibt immer gleich: wir sind Anlaufstelle für arbeitsuchende Menschen im Kreis Steinfurt! Wir unterstützen die finanziell Schwachen und ebnen ihnen den Weg (zurück) in ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben.
„Unser Ergebnis ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlich schwierigen Lage eine starke Leistung.“
Dr. Martin Sommer Landrat Kreis Steinfurt
Mut, Engagement und der Wille etwas zu bewegen, sind da wahre Superkräfte. Das haben unsere Mitarbeitenden in 2024 eindrucksvoll bewiesen. Dafür gebührt ihnen unser Respekt und unser Dank.
Bedanken möchten wir uns auch bei unseren Netzwerkpartnern am Arbeitsmarkt und den zahlreichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern im Kreis Steinfurt, die gemeinsam mit uns Menschen ins Arbeitsleben integriert haben.
Der Verwaltungsratsvorsitzende Landrat Dr. Martin Sommer
Der Vorstand Tilman Fuchs - Thomas Robert - Tanja Schmidt
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Steinfurt stieg von Juni 2014 bis Juni 2024 um 29.279 (+20,5 Prozent) auf 171.929. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich das Wachstum jedoch deutlich verlangsamt: Lag der jährliche Zuwachs zuvor im Schnitt bei 2,0 Prozent, betrug er 2024 nur noch 0,1 Prozent. Dies zeigt die abgeschwächte Dynamik am Arbeitsmarkt und die angespannte konjunkturelle Situation.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Struktur der sozialsicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Steinfurt spürbar verändert. Der Akademikeranteil stieg kontinuierlich. Nicht im gleichen Maße, aber dennoch gestiegen, ist auch die Zahl der Beschäftigten ohne Ausbildung, während die Beschäftigtenzahl mit Ausbildung leicht rückläufig ist. Sie stellen aber immer noch mit gut zwei Drittel aller Beschäftigten den Großteil der SV-Beschäftigten im Kreis Steinfurt.
Auch im Kreis Steinfurt wird der demographische Wandel in der Arbeitswelt anhand der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten deutlich. So stieg der Anteil älterer Arbeitnehmender in den vergangenen zehn Jahren stetig an. Im Juni 2024 ist bereits jeder bzw. jede vierte Beschäftigte 55 Jahre und älter. Zugleich sinkt die Anzahl der Beschäftigten unter 25 Jahren und auch bei den Auszubildenden sinken die Zahlen kontinuierlich.
Der Anteil ausländischer Beschäftigter hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im Juni 2024 stellen sie 12,1 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese positive Entwicklung spiegelt sich auch in der Beschäftigungsquote für Ausländer wider. Sie stieg innerhalb einer Dekade um 12,3 Prozentpunkte.
Im Kreis Steinfurt waren Ende des Jahres 3.447 Arbeitsstellen gemeldet – 11 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch der Zugang neuer Stellen ging deutlich zurück und erreichte mit -7 Prozent gegenüber 2023 den niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre. Diese Entwicklung, die bereits 2022 einsetzte, zeigt die zunehmende Zurückhaltung der Unternehmen bei Neueinstellungen. Gleichzeitig ist der Stellenbestand seit 2014 um 38 Prozent gestiegen – ein klarer Hinweis auf den wachsenden Fachkräftemangel: Viele offene Stellen bleiben unbesetzt, weil qualifiziertes Personal fehlt.
Die Zahl der Arbeitslosen im Kreis Steinfurt stieg 2024 im Jahresdurchschnitt um 14,4 Prozent auf 13.608 Personen. Die Arbeitslosenquote lag mit 5,1 Prozent erstmals seit 14 Jahren über der 5-Prozent-Marke. Hauptursache ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dort waren 1.170 Personen mehr arbeitslos als 2023. Trotz des Anstiegs liegt der Kreis bei der Arbeitslosigkeit in beiden Rechtskreisen weiterhin unter dem Bundes- (6,0 Prozent) und NRW-Durchschnitt (7,5 Prozent).
Die Zahl der Arbeitslosen in der Grundsicherung im Kreis Steinfurt lag Ende des vergangenen Jahres 15 Prozent über dem Vorjahreswert. Besonders betroffen waren junge Menschen unter 25 Jahren mit einem Anstieg von 23,1 Prozent. Auch bei Männern (+20,1 Prozent) und ausländischen Arbeitslosen (+18,1 Prozent) fielen die Zuwächse im Kreis Steinfurt deutlich höher aus als im Landes- und Bundesvergleich.
Im Kreis Steinfurt sind fast 70 Prozent aller Arbeitslosen in der Grundsicherung (SGB II) gemeldet. Besonders auffällig ist der hohe Anteil bei Alleinerziehenden und ausländischen Arbeitslosen: Ende 2024 waren 92,6 Prozent der arbeitslosen Alleinerziehenden und 84,0 Prozent der arbeitslosen Ausländer im SGB II registriert. Das zeigt, wie stark bestimmte Gruppen auf das Bürgergeld angewiesen sind.
Ungelernte haben im Kreis Steinfurt ein deutlich höheres Arbeitslosenrisiko: Ihre Quote lag 2024 bei 19,6 Prozent – achtmal so hoch wie bei Personen mit Berufsausbildung (2,4 Prozent) und noch deutlich über der von Akademikerinnen und Akademikern (1,6 Prozent). Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verlieren vor allem geringqualifizierte Arbeitskräfte ihre Stelle.
Qualifikation ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit.
Tanja Schmidt, Arbeitsmarktvorstand
Je höher die berufliche Qualifikation desto geringer fällt darüber hinaus das Risiko aus, auf Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein. Oder anders: arbeitslose Männer und Frauen ohne abgeschlossene Berufsausbildung beziehen fast immer Bürgergeld.
Nicht nur die berufliche Bildung wirkt sich auf das persönliche Arbeitslosigkeitsrisiko aus, sondern bereits in der Schule entscheidet sich, wer ein höheres Risiko hat, im Erwachsenenalter auf Bürgergeldleistungen angewiesen zu sein. Auch hier gilt: Je höher der schulische Abschluss desto geringer das Risiko auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende angewiesen zu sein.
Im Kreis Steinfurt waren 2024 insgesamt 5.207 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos und damit langzeitarbeitslos im Bürgergeldbezug – 13,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Ihr Anteil an allen arbeitslosen Bürgergeldbeziehenden lag bei 56,4 Prozent.
Damit hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit in den letzten zehn Jahren deutlich verstärkt: Seit 2015 ist ihre absolute Zahl um 43,3 Prozent gestiegen. Besonders in wirtschaftlich schwachen Zeiten gelingt es vielen Betroffenen nicht, schnell wieder in Arbeit zu kommen.
Im Kreis Steinfurt ist die Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit deutlich spürbar: Rund 60 Prozent der arbeitslosen Bürgergeldbeziehenden waren länger als zwei Jahre ohne Arbeit, jeder Fünfte sogar über fünf Jahre. Die durchschnittliche Dauer bis zum Ende der Arbeitslosigkeit liegt inzwischen bei 457 Tagen – ein Anstieg um über 100 Tage im Vergleich zu 2014.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist ein wesentlicher Eckpfeiler unseres Sozialstaats. Sie garantiert allen Menschen, dass selbst im Fall einer längeren Zeit ohne Erwerbstätigkeit für das menschenwürdige Existenzminimum gesorgt ist: die Wohnung und alles, was zum täglichen Leben gehört, wird vom Staat bezahlt. Dabei ist Arbeitslosigkeit keine zwingende Voraussetzung für den Bezug von Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Vielmehr kommt es auf die Bedürftigkeit der Menschen an. Im Kreis Steinfurt waren im Jahr 2024 durchschnittlich 23.087 Menschen auf diese Unterstützung angewiesen. Knapp 72 Prozent davon waren im erwerbsfähigen Alter, der Rest nicht erwerbsfähig – etwa Kinder unter 15 Jahren oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Die Zahl der Regelleistungsberechtigten ist 2024 weiter gestiegen: Zum Jahresende lag sie bei 23.148 Personen – 5,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit setzt sich der Aufwärtstrend fort, wie zuletzt zwischen 2015 und 2018.
Die jahresdurchschnittlich 16.561 erwerbsfähigen Leistungsberechtigen eint, dass sie das 15. Lebensjahr vollendet und das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht haben, in der körperlichen Verfassung sind, arbeiten gehen zu können, hilfebedürftig sind und im Kreis Steinfurt wohnen. Dennoch stellen sie keine homogene Gruppe dar. Der Anteil der Frauen unter den Leistungsbeziehenden ist über die letzten zehn Jahre gesunken – von 54,2 Prozent auf 50,7 Prozent Ende 2024. Eklatant ist der Unterschied zwischen Bürgergeldbeziehenden aus der Ukraine und den 8-HKL-Staaten. Erstere sind überwiegend weiblich, letztere männlich.
Es handelt sich um die acht nichteuropäischen Asylherkunftsländer, aus denen in den Jahren 2012 bis 2015 die meisten Asylanträge kamen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit bleibt diese Gruppe unverändert. Dazu zählen folgende acht Länder: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.
55,2 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Kreis Steinfurt sind arbeitslos gemeldet. Die übrigen 44,8 Prozent stehen dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen nicht unmittelbar zur Verfügung: Sie befinden sich in Qualifizierungsmaßnahmen, gehen einer Beschäftigung nach, besuchen eine Schule oder absolvieren eine Ausbildung. Ein Teil übernimmt familiäre Verantwortung durch Pflege oder Kindererziehung. Diese Zahlen zeigen: Bürgergeld heißt nicht automatisch Arbeitslosigkeit.
Im Jahr 2024 waren 52,4 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Kreis Steinfurt ausländische Staatsangehörige. Ein Blick auf die Entwicklung zeigt: Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich die Zahl ausländischer Bürgergeldbeziehender mehr als verdoppelt – von 4.352 im Jahr 2014 auf 8.676 im Jahr 2024. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl deutscher Leistungsbeziehender um 877 Personen zurückgegangen. Dies entspricht einem Rückgang von etwa 10 Prozent.
Kriegerische Konflikte weltweit haben zunehmend direkte Auswirkungen auf die Entwicklung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im jobcenter Kreis Steinfurt.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 ist die Zahl ukrainischer Bürgergeldbeziehender stark gestiegen – von 25 im Jahr 2021 auf jahresdurchschnittlich 2.506 im Jahr 2024. Sie machen mittlerweile fast 29 Prozent aller ausländischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aus.
Auch bei Geflüchteten aus Syrien zeigt sich ein deutlicher Anstieg: Seit 2023 kamen sie wieder vermehrt, nachdem die Regierungstruppen mit Unterstützung Russlands ab 2021 ihre Angriffsbemühungen gegen aufständische Truppen verstärkt hatten. Die Zeitverzögerung erklärt sich damit, dass sie nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst unter das Asylbewerberleistungsgesetz fielen.
Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei afghanischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten festzustellen. Seit der Rückkehr der Taliban im Jahr 2021 sind die Zahlen auch hier zeitversetzt angestiegen.
Insgesamt hatten 2024 rund 61 Prozent aller ausländischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine syrische, afghanische oder ukrainische Staatsangehörigkeit. Das entspricht etwa einem Drittel aller erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden im Kreis Steinfurt.
Menschen im Bürgergeldbezug sind nicht per se beschäftigungslos. Vielmehr zählten in 2024 rund ein Fünftel (21,1 Prozent) von ihnen zu den sogenannten erwerbstätigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Das sind Personen, die ein Arbeitseinkommen erzielen, dieses aber nicht ausreicht, um den persönlichen Lebensunterhalt oder den der Familie bestreiten zu können. Ein Jahr zuvor waren es noch 414 erwerbstätige Männer und Frauen im Leistungsbezug weniger.
Von diesen erwerbstätigen Leistungsberechtigten waren 97,4 Prozent abhängig beschäftigt (Stand: September 2024). Über die Hälfte von ihnen ging einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, allerdings mehrheitlich in Teilzeit. Nur ein Fünftel arbeitete in Vollzeit. Ausländische erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte arbeiteten überproportional in Vollzeit (62,1 Prozent). Insgesamt stellten Bürgergeldbeziehende 0,9 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Steinfurt.
Fast 41 Prozent dieser sogenannten Aufstocker war ausschließlich geringfügig beschäftigt. Dementsprechend niedrig fiel das erzielte Bruttoeinkommen aus. Nur 6,4 Prozent alle arbeitenden Bürgergeldbeziehenden erzielten ein Einkommen über 2.000 Euro monatlich.
Alle Menschen, die finanzielle Leistungen vom Jobcenter erhalten, leben in sogenannten Bedarfsgemeinschaften – also Haushalten, in denen gemeinsam gewirtschaftet wird. Das kann eine Einzelperson sein oder eine Familie mit Kindern.
Im Jahr 2024 stieg die Zahl dieser Bedarfsgemeinschaften im Kreis Steinfurt deutlich an: Im Jahresdurchschnitt waren es 12.067 – ein Plus von 825 Haushalten bzw. 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit wurde fast der Höchststand aus dem Jahr 2017 (12.168) erreicht, der im Zusammenhang mit der damaligen Fluchtbewegung aufgrund des arabischen Frühlings stand.
Die Mehrheit der Leistungsberechtigten lebte in Ein-Personen-Haushalten. Besonders auffällig: Menschen aus den sogenannten 8-HKL-Staaten lebten zu 61 Prozent allein. Rund ein Fünftel der Bedarfsgemeinschaften bestand aus Alleinerziehenden mit ihren Kindern – überdurchschnittlich häufig waren dies ukrainische Mütter oder Väter.
Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt.
Albert Einstein
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von hilfebedürftigen Männern und Frauen stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt wieder unabhängig aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Das ist nach dem Willen des Gesetzgebers Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aus diesem Grundsatz leiten sich folgende drei geschäftspolitische Ziele für uns ab:
Diese allgemeingültigen Ziele werden in Kennzahlen dargestellt, anhand derer bundesweit die Leistungsfähigkeit aller Jobcenter gemessen werden kann. Um aber den besonderen sozioökonomischen Strukturen der einzelnen Regionen gerecht zu werden, schließt jedes Jobcenter gemäß § 48a SGB II dazu eine individuelle Zielvereinbarung mit dem zuständigen Ministerium seines Bundeslandes ab.
Die sogenannte Kennzahl 1 "Verringerung der Hilfebedürftigkeit" zeigt, ob es gelingt, die Ausgaben für Leistungen zum Lebensunterhalt gegenüber dem Vorjahr zu senken. Dazu zählen unter anderem die Regelbedarfe für erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, Mehrbedarfe sowie Einmalleistungen. Die Kosten der Unterkunft – also Miete und angemessene Heizkosten – sind in dieser Kennzahl nicht enthalten, werden aber separat ausgewiesen.
Für dieses Ziel wird kein Zielwert mit dem MAGS festgelegt, vielmehr soll es durch existenzsichernde und nachhaltige Integrationen in den Arbeitsmarkt erreicht und über ein Monitoring dauerhaft beobachtet werden.
Im Dezember 2024 beliefen sich die Ausgaben des Jobcenters Kreis Steinfurt auf insgesamt 91,3 Millionen Euro für Leistungen zum Lebensunterhalt – ein Anstieg von 22,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für die Kosten der Unterkunft wurden zusätzlich 65,4 Millionen Euro aufgewendet, ein Plus von 10,8 Prozent.
Zum Vergleich: Bundesweit stiegen die Ausgaben für den Lebensunterhalt um 15,6 Prozent, in Nordrhein-Westfalen um 16,2 Prozent. Auch bei den Unterkunftskosten fiel der Anstieg auf Bundesebene (+5,7 Prozent) und Landesebene (+5,3 Prozent ) deutlich geringer aus als im Kreis Steinfurt.
Die deutlich höheren Mehrausgaben im Kreis Steinfurt im Vergleich zu Bundes- und Landesebene lassen sich vor allem durch zwei Entwicklungen erklären:
Zum einen ist die Zahl der Bürgergeldbeziehenden im Kreis Steinfurt wesentlich stärker gestiegen. Innerhalb eines Jahres erhöhte sich die Zahl der Regelleistungsberechtigten im Jahresdurchschnitt um 5,8 Prozent. Im Vergleich dazu lag der Anstieg auf Bundes- und Landesebene jeweils lediglich bei 0,2 Prozent. Mehr leistungsberechtigte Personen führen zwangsläufig zu höheren Ausgaben.
Zum anderen sind die Wohnkosten im Kreis Steinfurt erheblich gestiegen. Die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für Miete und Heizkosten erhöhten sich innerhalb eines Jahres um 7,0 Prozent – deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt (+4,2 %) oder in Nordrhein-Westfalen insgesamt (+3,6 %).
Zentrales Ziel der Jobcenter ist es, Menschen aus dem Leistungsbezug wieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu integrieren und so ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden.
Als Integrationen gelten die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, einer Ausbildung oder einer selbstständigen Tätigkeit durch erwerbsfähige Leistungsberechtigte – unabhängig davon, ob damit bereits die Hilfebedürftigkeit endet.
Die Integrationsquote misst dabei, wie viele Integrationen im Verhältnis zum durchschnittlichen Bestand an erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Jahresverlauf erreicht wurden.
Für das Jahr 2024 vereinbarten wir mit dem Land Nordrhein-Westfalen, das Vorjahresergebnis von 2.663 Integrationen um 6,5 Prozent zu steigern. Dieses Ziel übertrafen wir deutlich: Zum Jahresende erzielten wir insgesamt 3.485 Integrationen – das entspricht einer Steigerung um 822 Integrationen bzw. 30,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit haben wir das mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) vereinbarte Ziel um 649 Integrationen übertroffen.
Die Integrationsquote lag bei erfreulichen 21,5 Prozent – und damit über dem Landes- (19,0 Prozent) sowie dem Bundesdurchschnitt (20,4 Prozent).
Die Integration ausländischer Bürgergeldbeziehenden gelingt deutlich besser als deutsche Bürgergeldbeziehende wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Über 60 Prozent aller Integrationen fallen auf diese Gruppe. Besonders erfreulich: die Integrationsquote von Bürgergeldbeziehenden aus den 8 HKL-Staaten liegt mit 32,0 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Der Anteil bedarfsdeckender Integrationen an allen Integrationen fällt bei ihnen mit 57,3 Prozent um 9 Prozentpunkte höher aus als bei deutschen Bürgergeldbeziehenden.
Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, erwerbsfähige Leistungsberechtigte möglichst zügig und nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Allerdings stoßen unsere Vermittlungsbemühungen dort an Grenzen, wo Menschen mit besonderen oder mehrfachen Problemlagen unterstützt werden müssen. Diese komplexen individuellen Herausforderungen erschweren die Arbeitsmarktintegration und führen nicht selten zu einem längeren Verbleib im Leistungsbezug.
Als Langzeitleistungsbeziehende gelten Personen, die in den vergangenen 24 Monaten mindestens 21 Monate im Leistungsbezug standen. Die Kennzahl 3 – Veränderungen des Bestands an Langzeitleistungsbeziehenden – misst, wie sich diese Gruppe im Vergleich zum Vorjahresmonat entwickelt hat und ist ein zentraler Indikator für die Wirksamkeit langfristiger Integrationsstrategien.
Für das Jahr 2024 wurde mit dem Land Nordrhein-Westfalen vereinbart, den durchschnittlichen Bestand an Langzeitleistungsbeziehenden im Vergleich zum Vorjahr um nicht mehr als 9,0 Prozent ansteigen zu lassen. Dieses Ziel konnte im Kreis Steinfurt leider nicht erreicht werden: Zum Jahresende 2024 lag der Bestand mit 9.178 Personen um 1.298 höher als im Vorjahr – ein Anstieg von 16,8 Prozent. Damit wurde der angestrebte Zielwert deutlich überschritten.
Zum Vergleich: Landesweit betrug der Anstieg lediglich 4,7 Prozent, auf Bundesebene 6,9 Prozent.
Wir haben mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Rahmen der Zielvereinbarung für das Jahr 2024 vereinbart, dass das Ziel im Bereich der Integrationen von Langzeitleistungsbeziehenden erreicht ist, wenn die Zahl der Integrationen um mehr als 11,6 Prozent über dem Vorjahresergebnis liegt.
1.345 Langzeitleistungsbeziehende konnten im abgelaufenen Jahr ihre Arbeitslosigkeit beenden. Das waren 209 mehr als im Vorjahr und entspricht einer Quote von 18,3 Prozent. Das Ziel wurde somit erreicht.
Für das Jahr 2024 haben wir mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vereinbart, den Unterschied in den Integrationsquoten von Männern und Frauen um 0,4 Prozentpunkte zu reduzieren. Im Vorjahr betrug dieser Abstand 11,3 Prozentpunkte.
Das angestrebte Ziel haben wir jedoch nicht erreicht. Zum Jahresende 2024 lag die Differenz bei 13,7 Prozentpunkten – und damit über dem Vorjahreswert.
Ein möglicher Erklärungsansatz liegt in der veränderten Kundenstruktur: Zum einen sind zahlreiche alleinerziehende Ukrainerinnen mit Kindern in den Kreis Steinfurt geflüchtet, deren Integration in den Arbeitsmarkt mit zusätzlichen Herausforderungen verbunden ist. Zum anderen kamen vermehrt alleinstehende Männer aus den acht Herkunftsländern mit hoher Bleibeperspektive (8-HKL-Staaten), bei denen aufgrund fehlender familiärer Verpflichtungen häufig eine schnellere Integration möglich ist.
Unsere Arbeit ist leicht erklärt: Wir helfen Menschen. Alle, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, können auf uns zählen. Wir sind für sie da. Leicht gesagt, ist nicht gleich leicht gemacht. Denn, um wirklich und effektiv zu helfen, sind wir auf gut qualifiziertes und motiviertes Personal angewiesen.
Eine professionelle und wirksame Unterstützung gelingt nur mit gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeitenden. Unsere Personalentwicklung spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie sorgt mit einem breiten Angebot an Fort- und Weiterbildungen dafür, dass unsere Mitarbeitenden über die nötige Fachkompetenz und methodische Sicherheit verfügen.
Teilnehmende - 55 Fortbildungen
Gezielte Qualifizierungsangebote für unterschiedliche Aufgabenfelder
Wir bieten fachspezifische Qualifizierungen für die Kolleginnen und Kollegen der passiven Leistungsgewährung – etwa zu Mietrecht, Leistungsminderungen oder vorrangigen Leistungen. Gleichzeitig vermitteln wir beratungsspezifisches Wissen, wie z. B. Berufskunde, gezielt an Mitarbeitende der Arbeitsvermittlung.
Stärkung der Beratungskompetenz
Ein besonderer Fokus lag im vergangenen Jahr auf der Weiterentwicklung der Beratungsqualität. Rund 100 Mitarbeitende nahmen an einer zweieinhalbtägigen Schulung zur motivierenden Gesprächsführung teil. Ziel war es, die Gesprächsführungskompetenz zu stärken und die Beratungsleistung als zentrales Element unserer Arbeit weiter zu verbessern.
Führung entwickeln – Mitarbeitende stärken
Auch unsere Führungskräfte profitieren von speziellen Qualifizierungsangeboten, die ihre Führungsfähigkeiten und die Unterstützung ihrer Teams fördern. Ergänzend ermöglichten wir 120 Mitarbeitenden die Teilnahme an externen Fortbildungen, wie etwa dem Verwaltungslehrgang II des Studieninstituts Westfalen-Lippe.
Ab 2025 bieten wir zudem erstmals in Kooperation mit der EU|FH in Rheine einen dualen Studienplatz im Bereich Soziale Arbeit an – ein weiterer Schritt, um dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen.
Strukturiertes Onboarding für neue Mitarbeitende
Neue Kolleginnen und Kollegen sollen sich von Beginn an willkommen und gut begleitet fühlen. Dafür steht unser strukturiertes Onboarding-Programm: Es umfasst verpflichtende Schulungen, Hospitationen in unterschiedlichen Bereichen und eine begleitende Betreuung durch Mentoren. Ergänzt wird dies durch eine jährliche Informationsveranstaltung für alle neuen Mitarbeitenden – mit Gelegenheit zum Austausch und zur direkten Begegnung mit dem Vorstand.
Gute Arbeitsbedingungen und gelebte Wertschätzung
Wir setzen auf gute Arbeitsbedingungen und eine wertschätzende Arbeitskultur. Dazu gehören sowohl materielle als auch immaterielle Anreize, flache Hierarchien, Teamorientierung und offene Kommunikation. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Stärkung des Miteinanders – etwa durch Teamveranstaltungen, Hospitationen und fachbereichsübergreifende Dienstbesprechungen. So fördern wir das gegenseitige Verständnis und eine effiziente Zusammenarbeit.
Moderne Führungskultur und neue Formen des Miteinanders
Seit dem vergangenen Jahr haben wir eine Duz-Kultur eingeführt. Sie steht sinnbildlich für unser modernes Führungsverständnis, das auf Offenheit, Transparenz und Partizipation setzt. Die Duz-Kultur fördert den Zusammenhalt, stärkt die Identifikation mit dem Arbeitgeber und macht unsere Organisation auch für neue Fachkräfte attraktiver.
Gesund bleiben im Job – unser Betriebliches Gesundheitsmanagement
Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden liegt uns am Herzen. Über unser Betriebliches Gesundheitsmanagement bieten wir unter anderem ergonomische Arbeitsplatzberatungen, Zugang zu Betriebssportgruppen, vergünstigte Schwimmbadkarten und ein internes Bonusprogramm für gesundheitsförderndes Verhalten. Darüber hinaus stärken gemeinsame Aktivitäten – wie die Teilnahme an Laufveranstaltungen unter dem Motto „Team Jobcenter“ – den Zusammenhalt und fördern die Gesundheitskultur.
Als kommunales Jobcenter sind wir ein wichtiger Baustein der kommunalen Daseinsvorsorge. Wir sprechen aber lieber von Daseinsfürsorge. Dieser von uns gewählte Begriff weitet das klassische Verständnis öffentlicher Aufgaben aus: auf Aspekte sozialer Fürsorge und eines Sich-Kümmerns um Männer, Frauen und Kinder, die unsere Unterstützung bedürfen.
Wir wollen für sie da sein. Das heißt für uns, unsere kundenorientierten sozialen Dienstleistungen wohnortnah zu erbringen. Daher haben wir bewusst auf dezentrale Standorte gesetzt.
Netzwerk an Unterstützungsangeboten
Ein weiterer Vorteil, den wir unseren Kundinnen und Kunden gerne bieten, ist die Möglichkeit, sie über örtliche Netzwerke und rechtskreisübergreifende Kooperationen bestmöglich unterstützen zu können. So arbeiten wir beispielsweise eng mit Sozial- und Jugendämtern, Schuldner- und Suchtberatungsstellen aber auch Wirtschaftsverbänden zusammen, um Menschen den Weg zurück ins (Berufs-)Leben zu ermöglichen.
Unser Aufbau
Seit Juli 2021 hat der Kreis Steinfurt als Optionskommune alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf uns, die jobcenter Kreis Steinfurt AöR, übertragen. Wir sind seitdem verantwortlich für die gesamte Organisation und Steuerung des Jobcenters sowie für eine unserer Kernaufgaben die Vermittlung in Arbeit.
Die zweite Kernaufgabe von Jobcentern, die sogenannte passive Leistungsgewährung obliegt den Städten und Gemeinden im Kreis Steinfurt. Dort sorgen Kolleginnen und Kollegen dafür, dass die Existenz und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen, die zu wenig Geld zum Leben haben, gesichert werden.
Moderne Verwaltungsarbeit
Die Koordination und Abstimmung über verschiedene Standorte hinweg stellt eine organisatorische und kommunikative Herausforderung dar, der wir uns bewusst und mit klaren Maßnahmen stellen. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist der Zugang zu gemeinsamen Informationen, abgestimmten Prozessen und effizienter Kommunikation.
Mit der Einführung eines standortübergreifenden Social Intranets im Jahr 2023 haben wir eine zukunftsorientierte Lösung geschaffen, die kollaboratives Arbeiten deutlich erleichtert. Die Plattform bietet allen Mitarbeitenden Zugang zu einer zentralen, regelmäßig aktualisierten Wissensdatenbank, die auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Fachbereiche zugeschnitten ist.
Neben dem Intranet trägt auch die E-Akte wesentlich zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei. Beide digitalen Werkzeuge ermöglichen einen effektiveren Austausch, standardisierte Abläufe und eine transparentere Bearbeitung von Fällen. Damit stärken wir unsere interne Kommunikation und schaffen die Grundlage für eine moderne und effiziente Verwaltung.
Insgesamt belaufen sich die Kosten für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Kreis Steinfurt auf 233,7 Millionen Euro. Das sind rund 13 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Bund und der Kreis Steinfurt teilen sich diese Kosten. So übernimmt der Bund die Finanzierung der Leistungen zum Lebensunterhalt und zur Eingliederung in Arbeit vollständig. Darüber hinaus beteiligt er sich an den Verwaltungskosten mit 84,8 Prozent und trägt die Kosten für die Unterkunft von Flüchtlingen vollständig. Bei den verbleibenden Kosten für die Unterkunft übernimmt der Bund 27,6 Prozent. Insgesamt belaufen sich seine Ausgaben für die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Kreis Steinfurt somit auf gut 166,6 Millionen Euro.
Der Kreis Steinfurt als zugelassener kommunaler Träger übernimmt einen geringen Teil der Verwaltungskosten, d.h. Aufwendungen für eigene Personal- und Sachleistungen. Außerdem trägt er alle einmaligen Leistungen im Bereich Kosten der Unterkunft, wie beispielsweise Umzugskosten oder Mietkautionen, und übernimmt auch den Großteil der Kosten für die Unterkunft insgesamt. Für das Jahr 2024 belaufen sich die Kosten für den Kreis Steinfurt auf rund 67,1 Millionen Euro im Bereich SGB II. Das sind 7,1 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Die Kostensteigerung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende erklärt sich, aufgrund der Erhöhung der Regelsätze zum 1. Januar 2024. Sie sind im Vergleich zum Vorjahr um rund 12 Prozent angehoben worden. Hinzu kommen die stark gestiegenen Quadratmeterpreise im Kreis Steinfurt von rund 7 Prozent. Beides zusammen plus die Tatsache, dass mehr Menschen auf Bürgergeldleistungen angewiesen sind als im Vorjahr, führen zu Mehrausgaben. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Entgelterhöhung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Diese trat ab März 2024 in Kraft.
Wir haben im vergangenen Jahr 12 Millionen Euro für die Beschäftigungsförderung, Qualifizierung, berufliche Weiterbildung und Lohnkostenzuschüsse ausgegeben. Das waren 2,2 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Menschen, nahmen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil.
Ein Großteil der Teilnehmenden profitierte von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Hierbei handelt es sich um individuelle Eingliederungsleistungen, die ganz auf den persönlichen Qualifizierungsbedarf des Einzelnen zugeschnitten sind. Sie sollen die passgenaue Vermittlung in Arbeit ermöglichen, weil sie bei den Leistungsberechtigten Qualifizierungslücken schließen, Stärken ausbauen und Vermittlungshemmnisse abbauen.
Ein weiterer Einsatzschwerpunkt unserer arbeitsmarktpolitischen Instrumente waren die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen. Sie richten sich an Menschen, die schon lange keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind und häufig multiple Vermittlungshemmnisse aufweisen. Insgesamt 517 neue Teilnehmende profitierten von diesen Maßnahmen, die sie Stück für Stück näher an den Arbeitsmarkt heranführen.
So individuell die Lebenslagen der Menschen im Bürgergeldbezug sind, so differenziert muss das Förderportfolio ausgestaltet sein. Unser Anspruch als Jobcenter ist es, für jede und jeden ein passgenaues Angebot bereitzustellen – von gezielten Einzelfallförderungen bis hin zu gruppenbezogenen Qualifizierungen. Letztere haben sich insbesondere bei arbeitsmarktfernen Personen als besonders wirksam erwiesen: In einem strukturierten Rahmen werden hier gemeinsam Basiskompetenzen aufgebaut, soziale Ressourcen gestärkt und erste Schritte in Richtung Beschäftigungsfähigkeit gemacht.
Für die Planung, Entwicklung und Umsetzung solcher zielgruppenspezifischen Gruppenmaßnahmen braucht es jedoch eines: Planungssicherheit – sowohl hinsichtlich der budgetären Ausstattung als auch bezüglich der strategischen Ausrichtung und Zuständigkeiten des Jobcenters.
Diese Planungssicherheit war im Jahr 2024 leider nicht gegeben. Die haushaltsrechtlichen Restriktionen auf Bundesebene, politische Diskussionen über Zuständigkeitsverlagerungen zur Bundesagentur für Arbeit sowie strukturelle Veränderungen in der Ausrichtung der Jobcenter haben dazu geführt, dass langfristige Maßnahmenplanungen und verlässliche Kooperationen mit Weiterbildungsträgern nicht fortgesetzt werden konnten. Neue Ausschreibungen blieben aus, bestehende Maßnahmen liefen aus – mit Ausnahme einzelner Angebote im Bereich Erstausbildung für arbeitsmarktnahe junge Menschen unter 25 Jahren.
In der Folge mussten wir stärker auf individuelle Einzelfallförderungen zurückgreifen. Diese sind zwar kleinteiliger, personalintensiver und im Budget schwerer steuerbar – doch sie bieten die Möglichkeit, arbeitsmarktnahe Personen zielgenau und flexibel zu unterstützen.
Um auch bei knappen Ressourcen wirksam zu bleiben, haben wir im gesamten Kreisgebiet sogenannte „Begegnungsräume“ organisiert. In diesen wurden individuelle Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS) mit professioneller Beratung kombiniert, um schnell passende Qualifizierungs- oder Vermittlungswege zu eröffnen.
Die Durchführung dieser Begegnungsräume war im Jahr 2024 ein zentrales Element unserer arbeitsmarktpolitischen Steuerung – und zugleich ein Beleg für unsere Anpassungsfähigkeit. Doch klar ist: Für eine wirkungsvolle Arbeitsmarktintegration braucht es verlässliche, langfristig planbare Förderstrukturen. Kurzfristige Kürzungen und strukturelle Unsicherheiten gefährden nicht nur die Beschäftigungsperspektiven unserer Kundinnen und Kunden, sondern auch das Vertrauen und die Handlungsfähigkeit aller arbeitsmarktpolitischen Akteure.
„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen bauen Windmühlen.“
Chinesisches Sprichwort
Jobturbo und Vermittlungsoffensive haben Ende 2023 die Ausrichtung der Jobcenter nachhaltig verändert. Mit dem Slogan – Jede und jeder wird in unserem Land gebraucht – gab Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, die Richtung für unsere Arbeit vor. Das Ziel war nicht mehr schwerpunktmäßig die nachhaltige Integration in Arbeit und die Qualifikation, sondern die schnelle und frühzeitige.
Die Erwartungen an uns und unsere Arbeit veränderten sich dementsprechend. Wir sollten alle arbeitsmarktnahen Kundinnen und Kunden verstärkt in den Fokus nehmen. Ihre Potenziale schneller erkennen und heben. Nötige Qualifizierung sollte „on the job“ erfolgen. Bei Pflichtverletzungen kamen Leistungsminderungen wieder zum Einsatz. Um mehr Integrationen zu ermöglichen, sollten wir uns außerdem enger mit unseren Kooperationspartnern am Arbeitsmarkt vernetzen.
Ganz konkret wurde das messbare Ziel ausgegeben, bis Ende November 2024 mit allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten persönlich gesprochen und gemeinsam einen Kooperationsplan entwickelt zu haben.
Fokus auf arbeitsmarktnahe Kundinnen und Kunden
Unser Beratungskonzept, das wir zur Einführung des Bürgergeldes neu entwickelt hatten, passten wir in 2024 an die neue politische Ausrichtung an. Um schnelle Integrationen zu erreichen, legten wir unsere Priorität auf arbeitsmarktnahe Kundinnen und Kunden. Die Frage, der „Arbeitsmarktnähe“ haben wir entsprechend des aktuellen Beratungskonzeptes über den Beratungsstatus sehr dezidiert abgebildet. Alle Kundinnen und Kunden werden in einem der folgenden vier Beratungsstatus abgebildet:
Bürgergeldbeziehende in der Integrations- und Qualifikationsberatung berieten wir mit hoher Priorität. In der Unterstützungsberatung ist ebenfalls ein kontinuierlicher Beratungsverlauf notwendig, allerdings sind dort die Fortschritte eher in längeren Intervallen zu erwarten, so dass größere Intervalle zwischen den Beratungsgesprächen zum Tragen kamen. In der Basisberatung müssen unsere Mitarbeitenden regelmäßig in einem absehbaren Zeitraum überprüfen, ob sich die persönlichen Verhältnisse verändert haben. Auch hier haben wir auf größere zeitliche Abstände zwischen den Beratungsgesprächen gesetzt.
In 2024 haben wir darüber hinaus – in Abkehr vom originären Bürgergeldgedanken – all unsere Kundinnen und Kunden, die grundsätzlich arbeitsfähig erschienen und mangels Qualifikation nur auf Helferniveau arbeiten können, trotzdem der Integrationsberatung zugeordnet. Das bedeutet nicht, dass wir die Fachkräfteentwicklung als Auftrag grundsätzlich zurückgestellt haben. Vielmehr nutzten wir neben der Vermittlung in Ausbildung die Möglichkeiten des Qualifizierungschancengesetzes als zentrales Element zur Unterstützung der Arbeitgeber. Wir setzten also, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, verstärkt auf „training on the job“.
Erfolgreiche Umsetzung der Vermittlungsoffensive
Wir führten bis zum Stichtag mit 71,2 Prozent des genannten Personenkreises Präsenzgespräche und ebenso viele hatten einen Kooperationsplan. Dieses Ergebnis ist ordentlich, wenn wir die Dynamik im Regelleistungsbezug miteinbeziehen. Das bedeutet, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine statische Gruppe von Menschen darstellt, sondern sie sich permanent verändert durch Neuzugänge und Abgänge. Im vergangenen Jahr kamen 45 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten neu zu uns, während gleichzeitig 41 Prozent aus dem Bürgergeld ausgeschieden sind.
Hervorzuheben ist unsere gute Integrationsarbeit. So konnten wir 3.485 Menschen in Arbeit bringen. Das waren 30,9 Prozent mehr als im Vorjahr.
Digitale Potenzialanalyse: Neues Steuerungsinstrument ab 2025
Um die Potenziale unserer Kundinnen und Kunden besser zu erkennen und sie nutzbar zu machen für eine Integration, haben wir neue Formen der Potenzialanalyse erprobt. Am Ende konnten wir eine digitale Potenzialanalyse entwickeln und ausschreiben. Dieses Instrument steht uns seit Anfang 2025 zur Verfügung. Es ist nunmehr Ausgangspunkt für unsere Kooperations- und Integrationsplanung. Mittels der Potenzialanalyse können wir unsere Beratung noch besser auf die jeweiligen Bedürfnisse der Bürgergeldbeziehenden ausrichten.
Leistungsminderungen: Steuerungsimpuls mit Augenmaß
Diejenigen, die sich nicht aktiv an den Maßnahmen zu ihrer (Wieder-)Eingliederung beteiligten, mussten in 2024 mit einer Leistungsminderung rechnen. Insgesamt sprachen wir im vergangenen Jahr 1.184 Leistungsminderungen aufgrund von Pflichtverletzungen aus. Der weit überwiegende Teil, nämlich 92,1 Prozent, davon aufgrund von Meldeversäumnissen. Davon waren 736 erwerbsfähige Bürgergeldbeziehende betroffen. Monatlich waren rund 91 Personen von Kürzungen betroffen. Das entspricht einer Leistungsminderungsquote von 0,6 Prozent.
Kooperation und Netzwerke: Schlüssel für Integration
Menschen in Arbeit bringen, ist keine Aufgabe für Einzelkämpfer. Daher arbeiten wir immer mit unseren Partnern am Arbeitsmarkt zusammen. Allerdings haben wir diese Zusammenarbeit in den vergangenen Monaten noch einmal intensiviert. Mit unserem Arbeitgeberservice haben wir uns strategisch neu aufgestellt und die Kooperation mit beispielsweise Arbeitgebern, Wirtschaftsverbänden, Wirtschaftsförderungen sowie den Kammern deutlich ausgebaut. Das Ergebnis: wir werden wahrgenommen und zunehmend aktiv für Veranstaltungen angefragt.
Ein Beispiel sind Webinare der WESt mbh oder der Wirtschaftsvereinigung Steinfurt. Sie richten sich gezielt an regionale Unternehmen. Wir referieren dort regelmäßig zum Thema „Fördermöglichkeiten für Weiterbildung und Qualifizierung“ und stellen den Teilnehmenden das Portfolio unseres Arbeitgeberservice vor.
Den größten Erfolg erzielen wir mit unseren kooperativen Begegnungsräumen. Sie werden jeweils inhaltlich auf die spezifischen Anforderungen angepasst und finden sowohl lokal begrenzt als auch kreisweit statt.
Mit diesem Beratungs- und Informationsangebot können wir die jeweilige Zielgruppe mit externen Akteuren wie beispielsweise Arbeitgebern vernetzen. Beide Seiten können sich aus einer anderen Perspektive, vorurteilsfrei kennenlernen. Das ist besonders wichtig für unsere Kundinnen und Kunden. Denn oftmals scheitern sie bei den herkömmlichen Bewerbungsverfahren oder sind gehemmt, sich auf Stellen zu bewerben, weil der Einblick in das „echte Arbeitsleben“ und somit auch das Selbstvertrauen fehlen. Dabei hat es sich bewährt, Begegnungsräume außerhalb des Jobcenters stattfinden zu lassen, um Hemmschwellen abzubauen und wenn möglich, bereits einen direkten Einblick ins Arbeitsleben zu ermöglichen.
Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr 65 Begegnungsräume gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern organisiert. Diese reichten von Bewerbertagen bei speziellen Arbeitgebern, über Informationsveranstaltungen zu bestimmten Berufsfeldern bis hin zu Jobmessen und gemeinsamen Aktionstagen.
So haben wir beispielsweise gemeinsam mit der Regionalagentur Münsterland, den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Jobcentern im Münsterland sowie der IHK, HWK und des DGBs zu den Aktionswochen „Busfahrer:innen“ und „Klimaberufe im Handwerk“ eingeladen. Kommen, kennenlernen, ausprobieren – diese Möglichkeit boten wir allen Interessierten, damit sie ganz niedrigschwellig testen konnten, ob diese Berufsfelder etwas für sie sind. Auf unkonventionelle Art konnten sie sich über diese Berufswege sowie entsprechende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten informieren und direkt mit den teilnehmenden Betrieben austauschen.
Gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer organisierten wir eine Informationsveranstaltung zum Thema „Grüne Berufe. Neben einem Vortrag der Landwirtschaftskammer NRW präsentierten Arbeitgeber freie Stellen- und Ausbildungsangebote. Fast 100 Bürgergeldbeziehende nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren. Einige erhielten direkt die Zusage zur Probearbeit.
Speziell für Geflüchtete erarbeiteten wir gemeinsam mit der IHK Nordwestfalen den Begegnungsraum „Talk together“, bei dem Arbeitgeber und Geflüchtete direkt über Ausbildungs- und Arbeitsplatzoptionen sprechen konnten. Mehr als 50 Teilnehmende, die meisten aus der Ukraine und Syrien, nutzten die Chance. Auch die Unternehmen zeigten sich zufrieden und luden geeignete Bewerber zu anschließenden Vorstellungsgesprächen ein.
Darüber hinaus führten wir regelmäßig Jobdatings durch, die sich je nach regionalem Bedarf unterscheiden konnten. Mit der Wirtschaftsförderung Greven initiierten wir die Veranstaltung „Greven hat jobs“, die aufgrund der sehr positiven Resonanz in 2025 erneut stattfinden wird. Mit Unternehmen wie beispielsweise Hermes, DB Schenker oder dem Flughafen Münster-Osnabrück brachten wir gezielt Bewerbertage an den Start, bei denen häufig die Integration in Arbeit oder die Aufnahme eines Praktikums gelang.
Diese Kooperationen mit der Wirtschaft und den Partnern am Arbeitsmarkt bekam insbesondere aufgrund reduzierter Haushaltsmittel eine besondere Bedeutung. Durch die Zusammenarbeit gelang es uns Kräfte zu bündeln und auch bei knapper werdenden Ressourcen unsere Ziele durch eine neue Form der Netzwerkarbeit zu erreichen.
Junge Menschen unter 25 Jahren sind eine zentrale Zielgruppe unserer Arbeit im jobcenter Kreis Steinfurt. Ein gelingender Übergang in Ausbildung oder Erwerbstätigkeit ist entscheidend, um Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden und jungen Menschen ein eigenständiges Leben außerhalb des Leistungsbezugs zu ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund verfolgen wir das Ziel, Jugendliche möglichst früh an berufliche Orientierung und Ausbildung heranzuführen. Allerdings zeigt sich zunehmend, dass es jungen Menschen schwerfällt, frühzeitig eine tragfähige und realistische Zukunftsperspektive zu entwickeln. Um dem entgegenzuwirken, setzen wir gezielt auf eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Jugendlichen sowie auf eine verstärkte Kooperation mit unseren kommunalen Netzwerkpartnern.
Lücken im bestehenden System und präventive Ansätze
Für Jugendliche, die durch klassische Instrumente der Berufsberatung und Programme wie KAoA nicht erreicht werden, brauchen wir alternative Wege. Aus diesem Grund hatten wir gemeinsam mit dem Schulamt, den Jugendämtern, der Agentur für Arbeit, den Kommunen sowie der Schulaufsicht das Projekt „Schule macht Beruf“ entwickelt. Ziel war es, schulmüde Jugendliche an außerschulischen Lernorten wieder in Bildung zu integrieren und für sie gleichzeitig mit sozialpädagogischer sowie schulpsychologischer Hilfe eine berufliche Perspektive zu entwickeln.
Dieses präventive Angebot zielte auf eine frühe Intervention, um schulische und berufliche Desintegration zu verhindern – ein Bereich, in dem spätere Nachsteuerung häufig teuer und wenig wirksam ist. Leider konnte dieses Vorhaben aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen nicht umgesetzt werden.
Auch bestehende Projekte zur Bekämpfung von Schuldistanz wie „Extra.Klasse“ und „TriXx“ stehen vor dem Aus, obwohl sie in der Sekundarstufe I eine wertvolle Brückenfunktion leisten.
Verlängerte, aber auslaufende Maßnahmen für arbeitsmarktferne Jugendliche
Immerhin konnten zwei niedrigschwellige Angebote bis Ende 2024 bzw. Anfang 2025 fortgeführt werden:
Beide Maßnahmen boten insgesamt 25 Plätze für benachteiligte junge Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Sie hatten keinen aufsuchenden Charakter, so dass sie auch im Rahmen der Vermittlungsoffensive hilfreiche Instrumente waren, um junge Menschen in Arbeit oder Ausbildung zu vermitteln. Eine Fortführung über 2024 hinaus war nicht möglich, da neue Vergabeverfahren notwendig gewesen wären, deren Umsetzung unter den gegebenen finanziellen und planerischen Unsicherheiten nicht realisierbar war.
Gezielter Einsatz der Regelinstrumente
Für arbeitsmarktnähere Jugendliche setzten wir erfolgreich auf die Regelinstrumente „Assistierte Ausbildungsförderung“ und „Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen“ kurz BaE. Insgesamt standen 71 bzw. 20 Plätze zur Verfügung, von denen im Jahresdurchschnitt 72 junge Menschen profitieren konnten. Diese Instrumente bleiben essenziell, um Jugendlichen mit schwierigen Startbedingungen einen Zugang zum Ausbildungsmarkt zu ermöglichen.
Alternative Wege durch Landesprogramme
Mangels finanzieller Spielräume konnten wir in 2024 keine neuen Maßnahmen ausschreiben, nutzten jedoch gezielt Landesprogramme wie „Ausbildungswege NRW“ und „Übergangslotsen“, um junge Menschen beim Übergang in Ausbildung zu unterstützen. Insbesondere "Ausbildungswege NRW" erwies sich als erfolgreiches Programm und erreichte eine hohe Vermittlungsquote.
Insgesamt konnten wir die Zahl der erwerbstätigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die eine Ausbildung absolvieren, im Vergleich zum Vorjahr um 30,3 Prozent (Datenstand Oktober 2024) deutlich erhöhen.
Vernetzte Aktivitäten und gezielte Aktivierung
Ergänzend zu unseren Maßnahmen realisierten wir gemeinsam mit unseren kommunalen Netzwerkpartnern verschiedene Begegnungsräume:
Zu Jahresbeginn organisierten wir gemeinsam mit Bildungsträgern und dem Jugendmigrationsdienst den „Markt der Möglichkeiten“ für junge Bürgergeldbeziehende mit Migrationshintergrund. Ziel war es, passgenaue Angebote der beruflichen Orientierung und Vorbereitung zugänglich zu machen. Die Resonanz war durchweg positiv. Insgesamt wurden 34 Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine vergeben – ein wichtiger Schlüssel zur Teilhabe am Arbeitsmarkt.
Bereits ab dem 15. Lebensjahr führen wir im jobcenter Kreis Steinfurt sogenannte Schülergespräche mit Bürgergeldbeziehenden. In Rheine wurde dieses Format erstmals als Gruppenveranstaltung unter dem Motto „Auf dem Weg zum Wunschberuf!“ umgesetzt – in Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf. Die Veranstaltung vermittelte Jugendlichen die Bedeutung einer Ausbildung und gab Einblick in die Vielfalt möglicher Ausbildungsberufe.
Darüber hinaus boten wir gemeinsam mit der IHK Nordwestfalen und der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf mehrere gezielte Ausbildungsberatungen an. In individuellen 30-minütigen Beratungsterminen konnten die Jugendlichen ihre Wünsche äußern und gemeinsam mit den Beratern konkrete Strategien für den Einstieg in die Ausbildung entwickeln.
Nicht alle Menschen haben die gleichen Startchancen auf dem Arbeitsmarkt. Fehlende Qualifikationen, mangelnde Sprachkenntnisse, gesundheitliche Einschränkungen oder psychische Belastungen erschweren vielen Bürgergeldbeziehenden den Zugang zu regulärer Beschäftigung. Als jobcenter Kreis Steinfurt setzen wir gezielt auf bewährte und niedrigschwellige Förderinstrumente, um diesen Menschen einen schrittweisen und nachhaltigen Weg in Arbeit zu eröffnen.
Arbeitsgelegenheiten: Erprobte Brücke in den Arbeitsmarkt
Ein zentrales Instrument ist die Förderung sogenannter Arbeitsgelegenheiten (AGH). Diese gesetzlich geregelten, zusätzlich und wettbewerbsneutral ausgestalteten Tätigkeiten ermöglichen einen strukturierten Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag. Die Teilnehmenden üben grundlegende Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Teamfähigkeit – entscheidende Voraussetzungen für eine spätere Integration in Ausbildung oder Erwerbsarbeit.
Im Jahr 2024 nahmen durchschnittlich 350 Personen an diesen Arbeitsgelegenheiten teil. Für ihren Einsatz erhielten sie eine Mehraufwandsentschädigung, die nicht auf das Bürgergeld angerechnet wurde. Die positiven Effekte auf Teilhabe und Selbstwirksamkeit sind vielfach belegt.
Pflegeberufe im Blick: Neue Arbeitsgelegenheiten für mehr Teilhabe und Fachkräftegewinnung
Im Jahr 2024 haben wir unser Angebot an Arbeitsgelegenheiten gezielt erweitert: Ergänzend zu den bestehenden Maßnahmen wurden erstmals arbeitsmarktpolitische Einstiegsformate mit klarem Bezug zur Pflegebranche entwickelt. Seit Herbst 2024 stehen dafür 15 Plätze bei drei Trägern im gesamten Kreisgebiet zur Verfügung.
Die Konzeption dieser speziellen Arbeitsgelegenheiten entstand aus dem Dialog in unseren Begegnungsräumen – einem Format, das den direkten Austausch mit Trägern, Fachstellen und Zielgruppen ermöglicht. Ziel dieser Initiative ist es, arbeitsmarktferne Bürgergeldbeziehende frühzeitig für Berufe im Pflege- und Betreuungsbereich zu interessieren, ihnen berufliche Perspektiven aufzuzeigen und einen ersten niederschwelligen Zugang zu diesem systemrelevanten Tätigkeitsfeld zu schaffen.
Damit reagieren wir nicht nur auf individuelle Förderbedarfe, sondern leisten zugleich einen Beitrag zur Fachkräftesicherung in einem besonders angespannten Berufsfeld.
Stabilisierung durch Coaching: Wenn klassische Angebote nicht mehr greifen
Manche Menschen sind so stark belastet, dass klassische Fördermaßnahmen nicht greifen. In diesen Fällen müssen andere Wege beschritten werden. Mit dem aufsuchenden und niedrigschwelligen Angebot „Mobiles Coaching“ ist uns dies 2024 gelungen.
80 Plätze standen zur Verfügung, die Nachfrage war hoch. Zielgruppe waren Bürgergeldbeziehende mit komplexen Problemlagen wie psychischen Erkrankungen, Suchtthematiken, Überschuldung oder instabilen Familiensituationen. Das Coaching fand in der Lebenswelt der Menschen statt und ermöglichte erstmals eine tiefgreifende Analyse der individuellen Integrationshemmnisse – und vor allem die Entwicklung realistisch umsetzbarer Lösungsstrategien.
Durch die intensive und beziehungsorientierte Betreuung konnten viele Teilnehmende nachhaltig stabilisiert und an bestehende Unterstützungsangebote herangeführt werden. Leider war eine Fortführung ab 2025 nicht möglich – aus finanziellen Gründen und infolge der strategischen Ausrichtung der Jobcenter in Folge des Jobturbos bzw. der Vermittlungsoffensive.
Künftig werden diese Menschen vorrangig an kommunale Fachstellen wie den sozialpsychiatrischen Dienst, die Schuldner- und Suchtberatung oder Familienhilfen verwiesen. Eine direkte Integration über uns ist damit jedoch deutlich erschwert.
Coaching für arbeitsmarktnahe Personen: Stabilisierung mit System
Ergänzend zu den aufsuchenden Formaten bieten wir zwei standardisierte Coaching-Angebote für arbeitsmarktnahe Kundinnen und Kunden an:
Beschäftigungsvorbereitendes Coaching: Im Rahmen unserer internen Maßnahme jobaktiv begleiten wir Menschen auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme. Sie reicht von der Unterstützung bei Bewerbungsunterlagen, über die Erarbeitung einer Bewerbungsstrategie bis hin zum Vorstellungsgesprächstraining. Gleichzeitig stehen für einige Kundinnen und Kunden aber auch unterstützende Maßnahmen zur Orientierung auf dem Arbeitsmarkt im Fokus.
Beschäftigungsbegleitendes Coaching: Dieses Angebot richtet sich an Personen, die bereits in Beschäftigung stehen oder eine solche unmittelbar aufnehmen. Die Inhalte werden individuell zugeschnitten – von Verhaltenstrainings über Alltagsorganisation bis zur Stärkung von Schlüsselkompetenzen. Ziel ist es, Beschäftigung zu sichern und Rückfälle in den Leistungsbezug zu verhindern.
Würde durch Arbeit – Chancen für langzeitarbeitslose Menschen stärken
Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, sollen wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt erhalten, indem ihre Beschäftigungsfähigkeit durch intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung verbessert wird. Mit dem Teilhabechancengesetz stehen dafür zwei Fördermaßnahmen die „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ und die „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zur Verfügung. Beide eröffnen Perspektiven für Menschen, die ohne Unterstützung absehbar keine realistische Chance auf einen regulären Arbeitsplatz haben. Dabei ist, arbeiten zu gehen und für sich selbst sorgen zu können eine Frage der Würde und der sozialen Teilhabe.
Die Förderungen betreffen Langzeitleistungsbeziehende – allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen. Von der Förderung „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ profitieren Menschen, die über 25 Jahre alt sind, mindestens sechs Jahre in den letzten sieben Jahren Bürgergeld bezogen haben und in dieser Zeit nicht oder nur kurzzeitig beschäftigt waren. Die zweite Förderung "Eingliederung von Langzeitarbeitslosen" richtet sich an Personen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind.
Beide Instrumente beinhalten eine öffentlich geförderte Beschäftigung und begleitend ein ganzheitliches Coaching zur Unterstützung beim Einstieg ins Berufsleben, bei Problemen am neuen Arbeitsplatz oder bei Schwierigkeiten mit der Organisation des Alltags.
Bei „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ läuft die Unterstützung über maximal fünf Jahre und gewährt Arbeitgebern in den ersten beiden Jahren einen Zuschuss von 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns oder des Tariflohns. In jedem weiteren Jahr verringert sich der Zuschuss um 10 Prozentpunkte. Außerdem können Qualifizierungen und Praktika bei anderen Arbeitgebern gefördert werden. Für Arbeitgeber ist damit die Chance verbunden, sich auch arbeitsmarktferneren Personengruppen zu öffnen – angesichts des eklatanten Fachkräftemangels eine von den Betrieben noch viel zu selten genutzte Option.
Im Kreis Steinfurt profitierten jahresdurchschnittlich 74 Personen von der Förderung „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Das waren 22 Menschen oder gut 23 Prozent weniger als in 2023.
Bei der „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ erhalten Arbeitgeber einen Zuschuss zu den Lohnkosten für zwei Jahre. Im ersten Jahr des für mindestens zwei Jahre bestehenden Beschäftigungsverhältnisses beträgt die Förderung 75 Prozent des regelmäßig gezahlten Lohns und im zweiten Jahr 50 Prozent. Darüber hinaus können die so geförderten Beschäftigten bei Vorliegen der weiteren Fördervoraussetzungen für Weiterbildungen im gesamten Förderzeitraum Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen nach den allgemeinen Regelungen des SGB II oder SGB III in Anspruch nehmen.
Bei dieser Maßnahme betrug der jahresdurchschnittliche Bestand der Teilnehmenden im Kreis Steinfurt 29 Personen. Das waren gut ein Viertel weniger als im Vorjahr.
Der Rückgang dieser Förderungen erklärt sich unter anderem mit der bereits erwähnten Haushaltssperre Ende 2023, in deren Zuge die Besetzung dieser Fördermaßnahmen ausdrücklich untersagt war. Wir wissen, dass sich das Teilhabechancengesetz deutlich positiv auf die Lebenszufriedenheit auswirkt. Dennoch ließ uns die Haushaltssituation in 2024 wenig Spielraum für diese teuren und langfristigen mittelbindenden Maßnahmen.
Inklusion am Arbeitsmarkt stärken – Potenziale von Menschen mit Behinderung nutzen
Menschen mit Behinderung sind eine große Bereicherung – auch am Arbeitsplatz. Unternehmen, die ein inklusives Arbeitsumfeld ermöglichen, fördern damit nicht nur ausgewählte Menschen, sondern alle Mitarbeitenden, unsere Gesellschaft und nicht zuletzt ihren eigenen Unternehmenserfolg.
Trotzdem sind Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch immer unterrepräsentiert. Viele Unternehmen verzichten auf ihre Beschäftigung und zahlen stattdessen die gesetzlich vorgesehene Ausgleichsabgabe. Die Folge: Menschen mit Behinderung sind überdurchschnittlich häufig arbeitslos – oft trotz guter Qualifikation. Die meisten von ihnen (59,1 Prozent) bei uns im Kreis Steinfurt sind arbeitslos in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemeldet.
Um dieser Schieflage wirksam zu begegnen, haben wir in 2024 zusammen mit allen regionalen Jobcentern, den Agenturen für Arbeit, den Kreishandwerkerschaften, der IHK Nordwestfalen, der WESt mbh, den Kreisen, der Landwirtschaftskammer, den Sozialverbänden sowie Trägern im Münsterland die Kampagne „Inklusion Münsterland“ initiiert.
Ziel ist es, Inklusion im Arbeitsleben zur Selbstverständlichkeit zu machen und mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung am ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Kampagne verfolgt drei zentrale Ansätze:
Im Jahr 2025 ist im Rahmen der Kampagne eine regionale „Woche der Inklusion“ geplant, in der gezielt Unternehmen, Politik und Öffentlichkeit zusammengebracht werden sollen.
Parallel zur Kampagne organisierten wir praxisnahe Begegnungsräume für arbeitsuchende Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Ein Beispiel ist der „Begegnungsraum Inklusion“, der Anfang 2024 in Ibbenbüren stattfand. Mit rund 60 Teilnehmenden und zahlreichen Partnern – darunter die Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (eAA), der LWL, die unabhängige Teilhabeberatung, die Deutsche Rentenversicherung, der Integrationsfachdienst sowie fünf engagierte Arbeitgeber – konnten wir gezielt berufliche Perspektiven eröffnen. Erste Vermittlungserfolge zeigten sich bereits im direkten Anschluss an die Veranstaltung.
Ein weiteres gelungenes Beispiel ist die Kooperation mit dem Universitätsklinikum Münster (UKM) im Gebäudemanagement. Gesucht wurden Menschen mit Schwerbehinderung für Reinigungstätigkeiten. Das UKM bot eine drei Monate dauernde Einarbeitung – Ergebnis: drei qualifizierte Vorgespräche, zwei Vorstellungsgespräche und ein positives Fazit seitens des Arbeitgebers, der eine Fortsetzung der Zusammenarbeit ausdrücklich begrüßte.
Zuwanderung ist für den Kreis Steinfurt nicht nur eine Realität, sondern auch eine Notwendigkeit. Angesichts des demografischen Wandels sichert sie den Erhalt von Arbeits- und Fachkräften sowie die Stabilität regionaler Infrastrukturen. Ohne Zuzug würden uns in vielen Bereichen zunehmend Menschen fehlen – in Unternehmen, in der Pflege, in Dienstleistung und Handwerk.
Dabei ist klar: Wer neu zu uns kommt, braucht zunächst Unterstützung, um in Arbeit und Gesellschaft anzukommen. Aktuell stellen ausländische Staatsangehörige gut die Hälfte der Bürgergeldbeziehenden im Kreis Steinfurt. Besonders im Fokus stehen dabei Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft sowie Geflüchtete aus den sogenannten nicht-europäischen Asylherkunftsländern (Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Eritrea, Somalia, Pakistan und Nigeria).
Ein Blick auf die Bezugsdauer macht deutlich: Die meisten dieser Menschen bleiben kürzer im Bürgergeldbezug als deutsche Staatsangehörige. Während ein Großteil der deutschen Bürgergeldbeziehenden länger als drei Jahre im Leistungsbezug verbleibt, trifft das auf nur 27 Prozent der ausländischen Leistungsbeziehenden zu.
Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den erfolgreichen Integrationen in Arbeit: Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit machen 62,3 Prozent aller Integrationen aus – obwohl sie lediglich 52,3 Prozent aller Bürgergeldbeziehenden im Kreis Steinfurt stellen. Damit gelingt die Arbeitsmarktintegration überdurchschnittlich gut.
Diese Zahlen sprechen für eine erfolgreiche Integrationsarbeit – insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung. Sie benötigen zu Beginn gezielte Unterstützung, zeigen aber eine hohe Integrationsdynamik und -bereitschaft.
Sprache als Türöffner
Da Sprache der Schlüssel zum Erfolg ist, ist der erste Baustein zur gesellschaftlichen Teilhabe und Integration der Spracherwerb. Wir arbeiten diesbezüglich eng mit verschiedenen Bildungsträgern, dem kommunalen Integrationszentrum und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammen, damit die geflüchteten Menschen von Alphabetisierungskursen und Integrationssprachkursen profitieren können.
Bislang folgten wir dem Dreiklang Sprache – Anerkennung von Bildungsabschlüssen – Integration in Arbeit. Dieses Vorgehen haben wir im Rahmen der Vermittlungsoffensive dahingehend modifiziert, dass Spracherwerb und Qualifizierung „on the job“ stattfinden sollten. Dementsprechend informierte unsere Arbeitsvermittlung regelmäßig in den laufenden Integrationskursen über Anschlussperspektiven. Im Fokus steht seitdem die Arbeitsaufnahme, idealerweise kombiniert mit dem neuen Sprachkursangebot des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dem Job-Berufssprachkurs (Job-BSK). Eine Aneinanderreihung von Sprachkursen ohne Arbeit soll vermieden werden. Ausnahmen machen wir nur bei reglementierten Berufen oder bei einer Ausbildungsaufnahme. In diesen Fällen sind die „klassischen“ Berufssprachkursangebote des BAMF weiterhin verfügbar.
Auch Anerkennungsverfahren standen auf dem Prüfstand. Die beratenden Stellen sind oft überlastet, die Wartezeiten dementsprechend lang. Daher strebten wir Anerkennungsverfahren nur noch bei reglementierten Berufen an. Aber auch in diesen Fällen, in denen die Verfahren noch laufen, steht seit 2024 die Integration in Arbeit an erster Stelle. Hier kann zunächst in eine Helfertätigkeit und noch nicht in den erlernten Beruf integriert werden.
Zusammenarbeit forciert
Darüber hinaus haben wir unsere Netzwerkarbeit mit den für Migration zuständigen Stellen weiter ausgebaut. Wir haben uns enger mit den Willkommenslotsen der IHK Nordwestfalen sowie der Landwirtschaftskammer vernetzt. Gemeinsam mit ihnen haben wir Begegnungsräume speziell für Geflüchtete initiiert, bei denen wir direkt Integrationserfolge erzielen konnten. Überhaupt bleibt festzuhalten, dass Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich häufig an Begegnungsräumen und Austauschformaten mit Arbeitgebern teilnehmen. Es zeigt sich hier bereits ihre hohe Integrationsbereitschaft.
Wir haben die Zusammenarbeit mit dem Case-Management des Kommunalen Integrationszentrums forciert und sind Mitglied der Arbeitsgruppe „Fallanalyse zum Thema Sprache“. Darüber hinaus haben wir in 2024 das Ehrenamt als zentralen Netzwerkpartner für gelingende Integration in den Blick genommen. Oftmals bestehen durch das Ehrenamt schon gute und vertraute Kontakte zur Zielgruppe. Unser Plan für 2025: Wir möchten uns besser mit dem Ehrenamt vernetzen und in den Austausch gehen. Denn unsere Erfahrung zeigt, ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierte Bürgerinnen und Bürger wissen zu wenig über unsere Rolle und über unsere verschiedenen Aufgabenbereiche wie beispielsweise den Arbeitgeberservice oder den Bereich Arbeitsgelegenheiten. Durch regelmäßige Austauschtreffen oder durch einen Fachtag Ehrenamt möchten wir die Ehrenamtlichen informieren und gleichzeitig von ihren Erfahrungen profitieren.
Die Integrationszahlen bestätigen unseren eingeschlagenen Kurs: Die Quote erfolgreicher Integrationen unter ukrainischen Bürgergeldbeziehenden ist im Vergleich zum Vorjahr von 12,9 Prozent auf 22,8 Prozent gestiegen. Sie liegt damit mehr als 5 Prozentpunkte über der Integrationsquote deutscher Leistungsbeziehender.
Besonders erfolgreich sind wir bei der Integration von Menschen aus den acht Asylherkunftsländern: Ihre Integrationsquote lag 2024 bei 32,0 Prozent.
Die wirtschaftliche Lage hinterlässt auch im Kreis Steinfurt ihre Spuren. Besonders deutlich zeigt sich das in einem Anstieg der arbeitslosen Menschen ohne oder mit nicht verwertbarer Qualifikation. Gleichzeitig nimmt der Fachkräftemangel weiter zu – offene Stellen bleiben unbesetzt, weil es an passgenau qualifizierten Arbeitskräften fehlt. Der regionale Arbeitsmarkt steht damit vor einer doppelten Herausforderung: steigende Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig wachsender Personalnot in vielen Branchen.
Zugleich hat der Kreis Steinfurt seit 2022 überdurchschnittlich viele Geflüchtete aufgenommen, eine große humanitäre Leistung, die jedoch auch arbeitsmarktpolitisch herausfordernd ist. Die meisten dieser Menschen landen früher oder später, aufgrund fehlender Qualifikation oder mangelnder Sprachkenntnisse, im Bürgergeldbezug. Die Folge: Ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der im Kreis Steinfurt deutlich höher ausfällt als auf Bundes- und Landesebene.
Darüber hinaus steigt die Zahl der Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss in der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit Jahren kontinuierlich. Bildungsabbrüche, unklare oder fehlende Abschlüsse und lange Erwerbsunterbrechungen erschweren die nachhaltige Integration in Arbeit erheblich. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wird dies spürbar.
Veränderte politische Rahmenbedingungen: Fokus auf schnelle Vermittlung
Diese Entwicklung wird durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen noch verstärkt: Seit Ende 2023 steht der arbeitsmarktpolitische Fokus wieder klar auf dem Fordern. Das Fördern, insbesondere für Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen, ist in den Hintergrund geraten.
Die landesweit gestartete Vermittlungsoffensive NRW folgt dem Ziel, möglichst schnell arbeitsmarktnahe Personen in Beschäftigung zu bringen. Dies geht jedoch zulasten derer, die aufgrund komplexer Problemlagen mehr Zeit und Unterstützung benötigen.
Die schwierige haushaltspolitische Lage auf Bundesebene hat im Jahr 2024 massive Auswirkungen auf unsere Arbeit gehabt. Fehlende Planungssicherheit, haushaltsrechtliche Restriktionen sowie politische Diskussionen über Zuständigkeitsverlagerungen zur Bundesagentur für Arbeit haben zu erheblichen Unsicherheiten geführt. Strukturveränderungen im System der Jobcenter aufgrund des Jobturbos bzw. der Vermittlungsoffensive erschweren zusätzlich die langfristige Arbeit.
Die Folge: Zahlreiche Maßnahmen – insbesondere für Menschen mit multiplen Hemmnissen – liefen aus, ohne dass neue Angebote ausgeschrieben werden konnten. Verlässliche Kooperationen mit Weiterbildungsträgern konnten nicht fortgeführt werden.
Diese negative Entwicklung haben wir zu einem guten Teil durch konstruktive und kreative Lösungen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit unseren regionalen Netzwerkpartnern auffangen können. Unser Erfolgsgeheimnis der Begegnungsräume ist nicht länger ein Geheimtipp, sondern wird aktiv von unseren Partnern angefragt und eingefordert.
Dennoch können wir trotz großem Engagements unserer Mitarbeitenden die Fehlentwicklungen, die mit der Neuausrichtung verbunden sind, nicht komplett aufhalten.
Denn unsere Erfahrungen zeigen: Frühzeitige, differenzierte und niedrigschwellige Angebote sind entscheidend, um beispielsweise junge Menschen im Bürgergeldbezug wirksam in Ausbildung und Beschäftigung zu integrieren. Zumal mit „Schule macht Beruf“ ein gutes, präventives Angebot – trotz nachgewiesener Wirksamkeit – an unzureichenden finanziellen Rahmenbedingungen gescheitert ist.
Es braucht auch flexible, begleitende und individuelle Hilfen, um den am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernten Menschen eine Perspektive zu eröffnen.
Die positiven Erfahrungen mit Arbeitsgelegenheiten und mobilem Coaching belegen, wie wichtig eine ausreichend finanzierte, niedrigschwellige Infrastruktur im Jobcenter ist.
Jeder investierte Euro zahlt doppelt zurück: durch soziale Stabilisierung und den langfristigen Abbau von Hilfebedarf.
Integration gelingt
Die öffentliche Debatte über geflüchtete Menschen ist vielfach von Vorurteilen geprägt – etwa dem Vorwurf, sie würden gezielt nach Deutschland kommen, um Bürgergeld zu beziehen. Unsere Erfahrung im Kreis Steinfurt zeigt ein ganz anderes Bild: Die Mehrheit der geflüchteten Menschen bringt ein hohes Maß an Eigeninitiative mit und ist stark daran interessiert, schnell in Arbeit zu kommen. Besonders ausländische Leistungsbeziehende nutzen aktiv die bestehenden freiwilligen Angebote.
Auch die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund machen einen überproportional hohen Anteil an erfolgreichen Integrationen in Arbeit aus. Unsere Maßnahmen greifen – sie sind wirksam, zielführend und lohnen sich nicht nur für die Betroffenen, sondern für die gesamte Region.
Für uns steht fest: Eine nachhaltige und gerechte Arbeitsmarktpolitik braucht differenzierte Ansätze – schnelle Vermittlung für arbeitsmarktnahe Personen, aber ebenso gezielte Förderung für Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf.
Was wir brauchen, sind:
Nur so kann es gelingen, Potenziale zu heben, Arbeitskräfte zu sichern und soziale Teilhabe für alle Menschen im Kreis Steinfurt zu ermöglichen.